Im März hatte unser normales Gemeindeleben abrupt geendet. Bis dahin hatten wir an den Sonntagen den Gottesdienst morgens oder auch mal abends besucht und während der Woche verschiedene Kleingruppen - Jugendkreise, Mitarbeitertreffen, Gebetskreise....Nun war schlagartig Schluss. Keine Gottesdienste mehr, keine Kleingruppen, nichts mehr. Keine Begegnungen mit Freunden, kein "Wie geht es denn so". Am Anfang fiel es gar nicht so auf. Die Gemeindeleitung und unser Pastor reagierten schnell und starteten online Impulse und am zweiten Sonntag dann auch eine Live-Übertragung. Erwartungsvoll traf sich die Familie kurz vor zehn im Wohnzimmer, einige noch mit Kaffeetassen, aber immerhin. Zumindest eine aufbauende Predigt hören, Lieder mitsingen, ein bisschen das Gefühl, dabei zu sein.
Im Laufe der nächsten Wochen wurde das Ganze etwas lässiger gehandhabt wie vieles andere auch, z.B. Homeschooling. Manche noch im Halbschlaf, mit Schlafanzug oder nur teilweise wohnten wir der Übertragung bei. Mutter schälte nebenbei den Spargel, die Mädels tippten auf dem Handy. Kleingruppen oder Hauskreise gab es nun via skype - besser als nichts, aber es fehlte eben dieses persönliche Erleben, sich umarmen, gemeinsam Tee trinken, singen und beten. Über skype doch alles etwas ungewohnt. Besprechungen wurden über Videokonferenzen abgehalten, man gewann neue Einblicke in die unterschiedlichen Wohn- und Arbeitsverhältnisse anderer Mitmenschen. Technische Schwierigkeiten kamen und gingen, manche Teilnehmer waren nur zu sehen, andere nur zu hören. Unser technisch begabter 16jähriger nützte die Gunst der Stunde und schloss sich dem Sonntagstechnik Team an und war fortan wieder im Gottesdienst dabei. Nur wenige Menschen, kein Gedränge, das fand er gut.
Mit den Lockerungen war es dann ab Juni auch erlaubt, unter strengen Auflagen wieder Gottesdienst zu feiern. Erst mal anmelden, rechtzeitig dort sein mit Mundschutz. Statt wie gewohnt ein freundlich lächelnder Begrüßer mit Händeschütteln am Eingang, gab es nun einen Desinfektionsständer und ein Häkchen auf der Liste, das ein vermummter Mitarbeiter nickend bestätigte. Das Einbahnstrassen System schleuste uns direkt in den großen Saal. Anstelle des üblichen Geräuschteppichs von mehreren Hundert Menschen gab es nun beklemmende Stille und Distanz, es waren vielleicht nur 4o Personen anwesend. "Es fühlt sich anders und beklemmend an" kommunizierte unser feinfühliger autistischer Sohn, als er sich auf den zugewiesenen Platz gesetzt hatte. Ja, es war einfach anders. Aber eben auch anders als zuhause vorm Bildschirm - ich genoss das Gefühl, wieder persönlich dabei zu sein, echte Menschen zu sehen, echte Musik zu hören, so gut es ging mitsingen zu können. Und nach fröhlichem Ratespiel, wer hinter welcher Maske steckt Freunden zuzuwinken oder draußen anzusprechen. Mir wurde bewußt, wie selbstverständlich das alles vorher war, und wie wir nun kleine Freiheiten geniessen und dankbarer sind!